Tagesspiegel 02.07.2021 von Cay Dobberke

Neues Leben im Geisterhaus: Eine „nette Familie mit vielen Kindern“ hat die seit zehn Jahren unbewohnte Villa Noelle an der Winkler Straße 10 in Grunewald erworben. So drückt es der Berliner Immobilienunternehmer Christian Gérôme aus, der vermittelnd tätig war. Den Namen der Käufer nennt er nicht, kündigt aber an, die Familie wolle dem Baudenkmal seine originale Struktur zurückgeben.

Ursprünglich hatte der Stahlfabrikant und Kommerzienrat Ernst Noelle die prächtige große Villa in den Jahren 1901 bis 1902 als Wohnsitz seiner Familie bauen lassen. 1920 trennten sich seine Erben vom Gebäude und dem Garten. 1936 folgte der nächste Eigentümerwechsel, bei dem die Villa in ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen umgewandelt wurde. Das soll jetzt rückgängig gemacht werden.

Wem die Villa zuletzt gehört hatte, sagt Gérôme nicht. Aus der Nachbarschaft ist zu hören, dass es sich um die Frau eines reichen russischen Unternehmers handelte. Auch die Gründe des langen Leerstands werden klarer. Der Russe soll wegen enger Verbundenheit mit Präsident Wladimir Putin auf einer Sanktionsliste der Europäischen Union stehen. Nachdem er (bzw. seine Frau) die Villa im Jahr 2011 erworben hatte, wurde das Innere entkernt.

Für eine geplante Sanierung fehlte dann wohl das Geld. Zahlungsströme nach Deutschland sollen gesperrt gewesen sein. Dass es jetzt zum Verkauf kam, scheint am Steuerrecht zu liegen. Eine solche Immobilie kann in der Regel erst nach einer zehnjährigen Spekulationsfrist steuerfrei veräußert werden. Bei der Villa Noelle ist diese gerade abgelaufen. Wenn Eigentümer selbst im Haus gewohnt haben, gilt die Frist nicht. Aber das war in der Villa Noelle nicht mehr möglich, nachdem Handwerker alle Versorgungsleitungen herausgerissen hatten.